Cedric Fuhrer leitet unseren Verein seit 2012 als äusserst kompetenter und beliebter Dirigent. Daneben hat sich Cedric in den vergangenen Jahren in der Schweiz auch einen Namen als Komponist gemacht. In diesem Interview gewährt er uns Einblick in diese spannende Welt.
Cedric, wann hast Du mit dem Komponieren angefangen?
Erste Versuche unternahm ich mit ca. 16 Jahren. Konkreter wurde es dann 2011.
Wie bist du dazugekommen?
Mein Bruder hatte ein Notationsprogramm und da habe ich ein bisschen damit experimentiert. Als ich dann eine Reise nach Namibia unternahm, hatte ich Lust meine Eindrücke und Erlebnisse musikalisch festzuhalten. Das daraus entstandene Stück hab ich 2015 für einen Kompositionswettbewerb eingereicht und es wurde rangiert.
Was braucht es, um komponieren zu können?
Es braucht sicher Verständnis für das Medium für welches man schreibt z.B. Kenntnis der Instrumente und ihrer Möglichkeiten. Meine ersten Kompositionen waren dementsprechend für Schlagzeugensemble, denn als Schlagzeuger kannte ich diese Instrumente sehr gut. Sehr nützlich ist sicher auch eine gewissen Ahnung von Musiktheorie. Es braucht aber vor allem auch Fantasie. Grundsätzlich braucht man zuerst eine Idee und dann das Handwerk um es umsetzen zu können.
Denkst Du, dass für Dich als Schlagzeuger der Anfang schwieriger war?
Das denke ich nicht. Ich erlebe eher, dass die Vorurteile gegenüber Schlagzeugern grösser sind. Es wird automatisch davon ausgegangen, dass man die Blasinstrumente und ihre Möglichkeiten nicht besonders gut kennt. Vielleicht habe ich eine etwas andere Herangehensweise. Ich habe dafür mehr Rüstzeug in Sachen Schlagzeug.
Wie entsteht ein neues Werk?
Ideen entstehen konstant z.B. beim Schauen von Dokumentationen. Auch das Reisen ist sehr inspirieren. Mich interessiert die Geschichte des Landes, die geographischen Besonderheiten, die Ethnien, die Sprachen. Zum Beispiel im Stück Namibia gibt es mehrere Teile welche von Landschaften, Tieren, Menschen handeln. Dieses Stück enthält auch ein Klagelied über die im 2. Weltkrieg für die Briten gefallenen Soldaten.
Ich führe in meinem Mobiltelefon immer eine Liste mit Ideen, welche ich ständig ergänze. Ich habe viel mehr Ideen als Zeit zum Komponieren.
Beginnt das Ganze mit einer Melodie oder wie wird ein Werk aufgebaut?
Meist habe ich ein Thema und mache mir eine Mindmap-artige Skizze mit Unterthemen. ES folgt die Grobplanung des Stücks mit einem Spannungsbogen, eigentlich eine Art Geschichte. Es entstehen dabei bereits Ideen zur Instrumentierung. Auch Sprechrhythmen von Schlüsselwörtern z.B. Au--stra-lien können eine Rolle spielen und zu einem Motiv werden. Zu Beginn stehen viele Ideen, welche man in einem Stück verarbeiten möchte. Ich versuche dabei die Hauptidee zu verfolgen und zu variieren, als roter Faden durch das Werk. Ist der Grobverlauf entstanden setze ich mich ans Klavier und erarbeite einen Klavierauszug. Erst dann gehe ich an den PC ins Notationsprogramm und setze das Stück für die volle Besetzung. Ich schreibe aber nicht ganze Partituren von Hand, sondern nur einen Klavierauszug als Gerüst. Eigentlich ist das ganze wie eine Pflanze, welche grossgezogen wird und sich allmählich entwickelt.
Heisst dass, das nur ein Werk aufs Mal entstehen kann?
Bei fast jedem Stück kommt der Moment wo man nicht weiterkommt. Da hilft es, sich für eine Weile auf etwas anderes zu konzentrieren. Aber grundsätzlich arbeite ich jeweils schon an einem grösseren Werk.
Haben Notationsprogramme das Komponieren verändert?
Ich denke nicht, dass das Komponieren dadurch einfacher geworden ist. Aber die Hemmschwelle, mal etwas zu komponieren ist tiefer geworden und es ist einfacher geworden Fehler auszumerzen. Auch für die Verleger ist es einfacher, wenn Partituren oder Auszüge einfach elektronisch vervielfacht werden können. Dadurch wird mehr komponiert als früher, die Qualität ist aber nicht immer überzeugend. Denn es braucht halt trotz aller Technik das Gefühl für die verschiedenen Instrumente und ihr Zusammenspiel und ein solides Grundwissen. Im Notationsprogramm klingt es schnell mal gut, in der Realität nicht immer. Auch wird durch die technischen Möglichkeiten heute mehr in Sachen Artikulation vorgegeben, was die Interpretationsfreiheit des Dirigenten einschränkt. Der Komponist übernimmt dadurch auch die Regisseurrolle, was nicht unbedingt Sinn der Sache ist.
Was ist die jeweilige Rolle von Komponist und Dirigent?
Natürlich hat man als Komponist eine Vorstellung davon, wie das Werk klingen soll. Komponiert man ein Aufgabenstück, welches von 15 Bands gespielt wird, so wird es 15 Varianten davon geben. Und beim Zuhören wird einem das eine oder andere sogar besser gefallen, als man es ursprünglich angedacht hatte. Die Umsetzung ist Sache des Dirigenten.
Hast Du noch nie eine Version eines Stückes von Dir gehört, welche Dir gar nicht gefallen hat?
Doch das habe ich bei einem Wettstück erlebt, welches erstaunlicherweise viel mehr Interpretationsfreiheit gelassen hat, als ich mir vorgestellt hatte. Bei einer der Bands wurde das Stück dadurch verfremdet, dass Elemente geändert wurden. Die Band hat technisch brillant gespielt, versuchte aber mehr aus dem Stück herauszuholen, als drin war.
Manchmal ist es schwierig zuzuhören. Ich suche zuweilen auch den Fehler bei mir, muss dann aber einsehen, dass es einfach eine andere Interpretation ist.
Was machst Du lieber: Dirigieren oder Komponieren?
Ich möchte beides nicht missen. Es ist spannend beide Seiten zu sehen. Ich war ja auch lange sehr intensiv als Schlagzeuger tätig und hab daher auch diese Seite erlebt. Als Schlagzeuger war ich mehr eine Art Marionette, welche das ausführt, was vorgegeben wird. Als Dirigent kann ich musikalisch gestalten. Als Komponist erschaffe ich etwas von Grund auf, es ist fast wie ein Kind. Beim Dirigieren kommt die soziale Komponente dazu, welche sehr wertvoll ist.
Du würdest ja gerne von Musik leben können. Wovon kann man in der Schweiz eher leben: vom Komponieren oder vom Dirigieren?
Es ist sicher einfacher, vom Dirigieren leben zu können. Es gibt einige solche Fälle in der Schweiz. Aber es ist sehr schwer. Es gibt aber meines Wissens in der Schweiz niemanden der alleine vom Komponieren lebt, jedenfalls in der Blasmusikszene. Es gibt auch grundsätzlich wenige Komponisten, welche den ganzen Tag lang komponieren können. Fast alle haben noch eine andere Tätigkeit nebenbei.
Kannst Du immer komponieren oder muss der Moment stimmen?
Der Moment muss schon ein bisschen stimmen. Manchmal arbeitet man zwei Stunden an etwas und hat danach das Gefühl, nichts geschafft zu haben. Damit muss man leben können. Manchmal muss man auch alles über Bord werfen und neu anfangen. Das gehört dazu. Daher erachte ist es als einfacher, wenn man Komponieren und Dirigieren als Tätigkeiten kombinieren kann.
Ist es schwieriger, eine Auftragskomposition zu schreiben als frei zu schreiben?
Ich finde es sogar einfacher. Wie viele andere Menschen in vielen anderen Berufen hilft mir eine Deadline. Gerade bei einer kreativen Tätigkeit fällt es schwer, mal mit dem geschaffenen zufrieden zu sein. Ohne Deadline kommt man manchmal fast nicht zu einem Abschluss. Es kommt auch auf die Vorgaben an: oft sind die Dauer, der Schwierigkeitsgrad und der Anlass vorgegeben. Schwierig finde ich es, wenn es viele Vorgaben gibt, zum Beispiel ein bestimmtes Lied enthalten sein muss. Für mich persönlich ist auch das Arrangieren schwieriger als frei zu komponieren. Das Korsett ist mir zu eng.
Hast Du ein Lieblingswerk unter Deinen Kompositionen?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe in jedem Stück einen Lieblingsteil, aber kein Lieblingswerk.
Wie kannst Du jeweils überprüfen, ob ein Werk «verhäbt»?
Oft wenn etwas bestellt wird, so wird es noch überprüft bevor es für einen Wettbewerb eingereicht wird. Wenn man das Medium gut kennt, so kann man auch gut abschätzen wie ein Werk funktionieren und wirken wird. Der Dirigent hat ja dann noch die Freiheit, es an seine Besetzung anzupassen.
Ist es einfacher für eine Brass Band zu schreiben als für eine Harmoniebesetzung?
Nicht grundsätzlich. Von der Instrumentierung her ist es einfacher, da der Klang homogener ist, da sich die Instrumente alle in etwa gleich verhalten, gleich aufgebaut sind und eine ähnliche Tonreichweite haben. Auch klingen sie im gleichen Bereich gut. Das ist bei den Instrumenten der Harmoniebesetzung viel komplizierter: der Klangcharakter der einzelnen Instrumente ist viel unterschiedlicher, der Tonumfang ist insgesamt viel grösser, die optimalen Bereiche jedes Instruments innerhalb vom Tonumfang sind anderswo usw. Dafür arbeitet man bei Brass Bands viel mit Dämpfern, um eine breitere Variation an Klängen schaffen zu können.
Herzlichen Dank Cedric und viel Erfolg für Deine weitere Musikkarriere!